schon wieder anderthalb Monate um und ein bisschen was zum Berichten ist auch passiert. Ich lebe immer noch recht entspannt und gluecklich in unserem Haeuschen. Gehe jeden Tag in den Kindergarten und geniesse die Zeit die ich mit den Kindern verbringen darf.
Aber fang ich mal von vorne an: Vor ca. einem Monat hatte mein Mitbewohner Geburtstag und weil er eigentlich doch ganz nett ist ;) habe ich ihn eine Raftingtour in der Naehe von Itacaré geschenkt. Eine Woche spaeter ging es also los! Erstmal mussten wir anderthalb Stunden in ein kleinen abgeschiedenen Ort mitten im Urwald fahren. Das war nicht ganz so angenehm, da die Strasse nicht asphaltiert war und wir in dem normalen Auto, mit dem wir hingebracht wurden, sehr unsanft durchgeschuettelt worden sind. So kamen wir dann auch zu spaet zu dem Instruktionsteil, der nicht gerade sehr beruhigend war. Da es in den vorangegangen Tagen sehr stark geregnet hatte, wurde uns ein Rafting (die Brasilianer sprechen das Haftschi...) punki (anstrengend, verrueckt) versprochen. Und so sollte es sein. Die Bilder spiegeln die Adrenalinmengen in meinem Blut sicher gut wieder. Die Stromschnellen waren angsteinfloessender als ich erwartet hatte und die Gefahr das Boot koennte kippen und wir gegen die Felsen geschmissen werden schien staetig praesent. An einem ruhigeren Flussabschnitt sagte unser Bootsfuehrer dann wir koennten jetzt auch das Boot verlassen und uns eine Weile den Fluss hinuntertreiben lassen. Es ist ein unglaubliches Gefuehl einfach so schwimmend in einem wilden Urwaldfluss langzutreiben. Ich fuehlte mich wie das Dschungelkind Mogli und gefehlt hat nur noch Balu der Baer als mein Spielkamerad.
Des weiteren habe ich mich dem Angsthasen in mir gestellt; bin von einem Felsen gesprungen und habe Tiroleza gemacht (man rast festgemacht an einem Drahtseil aus beachtlicher Hoehe herunter und schlaegt dann auf die Wasseroberflaeche). Nach leider gerade mal 2 Stunden war dann aber alles schon vorbei und trotzdem war ich fuer den Rest des Tag sehr ausgelaugt. Wie ich es so zwischen den Zeilen gelesen habe (Boaahhh wie GEIL ist das denn!!!!!!) hat es Philipp auch ganz gut gefallen ;)
Seit einiger Zeit haben wir auch 2 neue Mitbewohner (Friedrich hat sich bei einer Nachbarsfamilie einquartiert wo er einen Spielkamerad hat...) namens Gudang und Chinela: 2 Kuecken. Philipp war dagegen aber ich habe sie aus Ilheus mit zu uns gebracht, damit sie sich um die Biomuellmengen, die in unserem Garten verrotten, kuemmern. Suess fand ich sie natuerlich auch. Mittlerweile sehen sie nicht mehr ganz so suess aus und verschmutzen ziemlich unsere Terrasse... Was aus ihnen werden wird ist noch ungewiss. Obwohl schon Plaene geschmiedet worden sind sie auf unserem Abschiedsfest zu schlachten bin ich strikt dagegen. Generell scheint Philipp nicht so recht zu wissen was gut fuer Huehner ist und was nicht, so hat er ihnen z.B. soviel Bier gegeben bis sie betrunken waren oder ihnen das Fliegen "beigebracht"...
Mittlerweile werden meine Studienbewerbugen recht konkret. Es ist sehr komisch sich hier zwischen Strand und Kindergarten ueber so etwas Gedanken zu machen, weil Deutschland und Studieren so weit weg ist und einfach nur unwirklich erscheint. Sachen die irgendwie Teil eines anderen Lebens sind.
Aber wie auch immer, es muss sein. Was genau und wohin ist steht alles nicht so genau fest, aber ich habe meine Praeferenzen um die ich mich in erster Linie kuemmere. Fuer einen Studiengang in Groningen, den ich sehr gerne machen wuerde, musste ich z.B. einen international anerkannten Englischtest , wie TOEFL oder IELTS, machen. So habe ich an dem letzteren vergangene Woche in Brasília teilgenommen. Was hier sich so routinemaessig anhoert, war in Wirklichkeit ein nervenaufreibendes Chaos. Erstmal gab es einen fuer mich rechtzeitigen und passenden Termin nur in Brasília, was schonmal eine kostspielige Tagesbusreise bedeutet. Fuer die schoene Natur naemlich bezahle ich hier sozusagen mit dem Kaff-Status.
Fuer das naechste Testdatum (der 30. April) hatte ich mich fast schon zu spaet angemeldet so das ich schnellstmoeglich alle Unterlagen schicken musste und auch die Teilnahmegebuehr gleich Montag frueh vor 12 ueberweisen sollte. Da ich kein brasilianisches Konto habe musste ich dafuer in die Bank, ein Erlebnis. Erstmal hat die in Iheus nur von 11 bis 16 Uhr auf und es herrschen arbeitsamtaehnliche Zustaende. Riesige Schlangen und alle wartende Kunden bekommen Nummern zugeteilt. Trotz allem habe ich das Geld rechtzeitig ueberwiesen, doch die wirkliche Ueberraschung kam 2 Tage spaeter. Abends am 15. (!!!!) April, ein Mittwoch bekam ich die Bestaetigungs E-Mail das ich fuer den Test am 18. (!!!!!) April, Samstag eingetragen bin. Verstaendlicherweise brach ich in relative Panik aus, da ich NICHTS geuebt hatte und nichtmal wusste ob ich es rechtzeitig nach Brasília schaffe, da nicht sicher war ob am folgenden Tag ein passender Bus faehrt. So fuhr ich am Donnerstag mit meinem hektisch gepackten Rucksack frueh morgens zur Schule und sagte Bescheid, dass ich nach Brasilia muesste und danach direkt nach Ilheus. Als ich beim Conselho britanico anruf wurde mir bestaetigt dass es wirklich nur den Termin am 18. gebe. Zum Glueck gab es Donnerstag Abend einen Bus der Freitag Abend in Brasília ankommen wuerde, sodass ich es zu dem Examen Samstag Mittag schaffen konnte.
Freund von langen Busfahrten werde ich wohl nie werden, aber in Brasília wurde ich dann supernett von Freunden mit Auto abgeholt. Mich noch alleine durch eine unbekannte Stadt finden zu muessen haette ich beim besten Willen nicht mehr gewollt/geschafft. Die Tage habe ich bei der Familie gewohnt, die ueber Weihnnachten in Sargi waren. Am naechsten Tag wurde ich auch zum Test gefahren und wieder abgeholt. Der Test an sich war anspruchsvoller als ich erwartet hatte, aber ich denke ich habe mich ganz gut geschlagen. In einer Woche muesste ich auch das Ergebnis haben.
Samstag Abend nach dem Examen war dann also der Stress vorbei und vor mir lagen 2 freie Tage in der Hauptstadt des Riesenlandes Brasiliens. Wie schon in Canoa Quebrada habe ich mich sehr wohl gefuehlt, weil ich wieder im Schoss einer Familie umsorgt wurde und alle wirklich sehr sehr nett waren und mir unglaublich geholfen haben.
Des weiteren ist Serra Grande sehr schoen, aber ich glaube alle deutschen Frewilligen haben sich hier zu einem bestimmten Zeitpunkt schon mal "gefangen" gefuehlt. Immer die gleichen Leute, die gleiche Arbeit, die gleiche Musik, die gleichen Feste, die gleichen Unterhaltungen. Es kann einen sehr frustrieren und muede machen, sodass ich manchmal sehr froh fuer Abwechslung, wie dieses Wochenende in Brasilia, bin. Und danach freut man sich sogar und ist schon ganz aufgeregt wieder nach Serra zurueck zu kommen und den neusten Klatsch und Tratsch zu hoeren.
Samstagabend in Brasília waren wir erstmal ordentlich feiern und tanzen in einem schoenen Club. Sonntag waren wir auf dem Sitio der Familie, schwammen, aßen, spielten Schach und redeten viel ueber Deutsche, Brasilianer, Bahia und Brasília. Die Familie kam aus der oberen Mittelschicht und ich habe wirkich den Unterschied zu vielen Leuten gemerkt, mit denen ich in Serra meine Zeit verbringe. Ihnen war irgendwie bewusster das ich aus einer voellig anderen Kultur komme und haben sich sehr fuer Deutschland; die Sprache, die Geschichte und die Kultur interessiert. Die Leute in Serra (natuerlich kann man das nicht verallgemeinern) leben eher so in ihrer eigenen kleinen Welt, und fuer die Dinge hinter ihrem Horizont fehlt ihnen das Bewusstsein und so richtig interessieren tuen sie sich dafuer auch nicht.
In besonders krassen Faelle kann ich mich sehr darueber aergern. Z.B. wenn die Putzfrau im Kindergarten ueber mich lacht, weil ich nicht wusste wie man irgendwas naeht (was ja dort jede Frau kann). Am liebsten wuerde ich ihr dann sagen, dass ich halt in Deutschland nicht die ganze Zeit genaeht habe und ihr an den Kopf werfen, dass sie noch nichtmal lesen kann und ich sie ja auch nicht ueber sie lache. Aber gut. Niemand will Streit also laechle ich einfach freundlich zurueck und halte mich an die Leute mit denen ich mich besser verstehe.
Aber gut, ich war bei meinen Brasíliaerlebnissen. Sonntagabend war ich mit der Familie bei einem riesigen Kirchenfest, wo wir auch Forró getanzt haben. Es war sogar der Buergermeister da und auf einer grossen Buehne spielte eine superbeliebte Band. Das Publikum dazu bestand hauptsaechlich aus jungen Leuten und Familien. Die Kirchen in Brasilien und ihr Stand in der Gesellschaft sind nochmal ein ganzes Kapitel fuer sich.
Montag haben wir dann Sightseeing gemacht. Die Fotos hat leider noch Felipe, sodass ich mit Hochladen noch warten muss bis er die mir geschickt hat.
Ich weiss nicht wieviel euch ueber die ganz besondere Geschichte und Architektur von Brasília bekannt ist, aber nacherzaehlen werde ich jetzt nicht alles, guckt bei wikipedia ;) Obwohl viele Leute die Stadt nicht moegen hat sie mir sehr gut gefallen. Alles hat riesige Dimensionen und symbolisiert gut die Macht die von diesem Ort ausgeht, wo ueber das Schicksal eines unglaublich grossen und unterschiedlichen Landes entschieden wird.
Besonders fasziniert war ich von dem aviao (Flugzeug) und habe staendig gefragt ob man es sehen kann ;)
Mit Hilfe der Familie habe ich dann auch einen sehr guenstigen Flug am Dienstag gefunden, sodass ich Nachmittags wieder in Sargi eintrudelte, wo Philipp mir berichtete das "nichts Aufregendes" passiert ist. Na so ein Glueck ;)
Diese Woche habe ich auch erfahren das vom 20. Juni bis 20. Juli nochmals Schulferien sind und wir wahrscheinlich nicht sooo viel arbeiten muessen... vielleicht schaff ichs ja noch nach Rio! Aber bis August strenge ich mich jetzt nochmal ganz viel an und gebe mein Bestes im Kindergarten.
Gestern Abend hatte ich nach so langer Zeit (immerhin bin ich schon ueber 8 Monate hier und langsam denkt man immer, man kennt schon alles) ein voellig faszinierendes neuartiges Erlebnis. Ich war bei einer Candomblé-Zeremonie. Dies ist eine Religion die die Sklaven aus Westafrika mitbrachten und sich bis heute bewahrt haben, trotz Verbot der oeffentlichen Ausuebung zur Zeit der Sklaverei. Mitgenommen hatte uns unser Capoeira-Lehrer und es war ein sehr fremdartig und trotzdem beruehrendes Erlebnis. Dunkelhaeutige Frauen in bunten Roecken tanzten zu Trommelklaengen und manche verfielen sogar in einen Trancezustand. Das hoert sich alles ziemlich unglaublich an, lest am besten hier auch im Internet nach um eine Idee zu bekommen. Des weiteren gab es jede Menge zu Essen, doch ich habe mich irgendwie nicht getraut. Ich war die einzige Blondhaarige und eine der wenigen Weissen. Es gibt hier das oefteren solche Situationen. Ich bin und bleibe eine Fremde. Und nicht selten wird man angestarrt, so wie in Deutschland alle einen Schwarzen anstarren wuerden. Besonders da Candomblé die Relion der schwarzen Sklaven ist, welche von den Kolonialherren, die so schoen weiss und "reich" wie ich waren, ausgebeutet und unterdrueckt worden sind. Tiago mein Capoeira-Lehrer meinte dann, dass seine Mutter gesagt hat, das ihr Opa auch ein Sklave war. Es ist schon komisch das man dann heute so nebeneinander steht und alles ist vergessen. Scheint vergessen. Doch Candomblé gibt es noch, wurzelnd in der Sklaverei, der Ausbeutung von Schwarz durch Weiss.
Weitere Neuigkeiten? Mich ist ausser meinen Eltern immer noch niemand besuchen gekommen.... Auf Condor gibt es Fluege von Frankfurt nach Salvador fuer 500 bis 600 Euro!!
Der Link: http://www12.condor.com/tcf-de/langfliegen.jsp#SSA
Unter Langfliegen gucken.
Also los Leute :)!
Bis zum naechstenmal ihr da draussen :)
Und: Alles liebe zum Geburtstag Mutti!!!
Eure Laura aus Brasilien